27.03.2024
P R E S S E M I T T E I L U N G
Landtag beschließt neues Brandenburgisches Hochschulgesetz
Aus Sicht der GEW ein erster Schritt zu besseren Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft,
auch wenn Luft nach oben bleibt
Potsdam – Lange haben das MWFK und Vertreter und Vertreterinnen aus der Wissenschaft im
Dialogprozess „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ um Verbesserungen für die Beschäftigten an den
Hochschulen und Universitäten gerungen. Die Ergebnisse sollten sich auch im neuen
Hochschulgesetz spiegeln. Gelungen ist das aus Sicht der GEW nur bedingt, positive Neuerungen gibt
es aber durchaus.
Erstmals wird es in Brandenburg nicht mehr möglich sein, hochqualifizierte Personen mit einem
Masterabschluss als sogenannte wissenschaftliche Hilfskräfte außertariflich zu beschäftigen. Durch
die Einführung der neuen Personalkategorie ‚Wissenschaftsmanager/Wissenschaftsmanagerin‘ wird
eine bisher eher unsichtbare Beschäftigtengruppe gesetzlich legitimiert und auch die nicht selten
etablierte Praxis der dauerhaften Befristung dieser Beschäftigten verhindert.
Ausdrücklich begrüßt die GEW, dass der Grundsatz ‘Dauerstellen für Daueraufgaben’ im
Hochschulgesetz verankert wurde, auch wenn es an Konsequenz bei der Verbindlichkeit zur
Umsetzung dieses Prinzips mangelt. So können befristet Beschäftigten auch weiterhin mehrheitlich
Aufgaben übertragen werden, die nicht ihrer Qualifizierung dienen. „Diese Aufgaben dienen der
Aufrechterhaltung des akademischen Dauerbetriebs in Lehre, Forschung und Selbstverwaltung, sind
also Daueraufgaben. Um eine echte Verbesserung der Qualifikationsbedingungen zu erreichen und
dem Prinzip Dauerstellen für Daueraufgaben ernsthaft Rechnung zu tragen, hätten mindestens 50%
der Arbeitszeit für die eigene Qualifizierung festgeschrieben werden müssen. Übrigens auch um
konkurrenzfähig zu unseren Nachbarbundesländern Berlin oder Sachsen-Anhalt zu bleiben“, so
Susanne Gnädig, Sprecherin der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung der GEW.
Erklärtes Ziel von Ministerin Schüle ist es, neue Karrierewege zu etablieren, die durch dauerhafte
Beschäftigung attraktive und konkurrenzfähige Berufsperspektiven im Hochschulsystem für Postdocs
eröffnen. Mit dem neuen Hochschulgesetz wird deshalb eine neue Personalkategorie eingeführt: die
Dozentur. Diese soll einen Karriereweg neben der Professur eröffnen. Dozentinnen und Dozenten
sollen Daueraufgaben in Lehre, Forschung und Transfer selbständig wahrnehmen. Im neuen Gesetz
ist die Stellenkategorie mit der Option versehen, sie dauerhaft als befristetes Arbeitsverhältnis
ausgestalten zu können. „So wird die ursprüngliche Intention, attraktive Dauerstellen neben der
Professur zu schaffen, konterkariert. In dieser Form ist die neue Personalkategorie überflüssig. Eine
befristete Dozentur erfüllt keine eigenständige Funktion im System der Karrierewege und ist für mich
als Postdoc damit keine ernstzunehmende Alternative“, sagt Aileen Behrendt, Sprecherin der
Mittelbauinitiative „Frist ist Frust“ an der Universität Potsdam.
„Dauerstellen für Daueraufgaben als Leitprinzip im Gesetz zu verankern ist begrüßenswert, allerdings
ist es in höchstem Maße inkonsequent, dieses Leitprinzip in mehreren Einzelregelungen zu
unterlaufen“, meint Bernhard Bielick, Mitglied der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung der
GEW. Damit sei die Chance verpasst, dass die Hochschulen ihren Blick für eine anforderungs- und
bedarfsgerechte Personalstruktur schärfen müssen. Allerdings könnte dies durch eine Neuregelung im
Gesetz an den Hochschulen durchaus korrigiert werden. Als erstes Bundesland legt Brandenburg
verbindliche Regelungen zur Erarbeitung von Dauerstellenkonzepten fest. „Die Frage, wie
bedarfsgerechte Personalstrukturen an Hochschulen aussehen bzw. wie das Verhältnis befristeter und
unbefristeter Stellen ausgestaltet sein sollte, ist damit nicht länger eine, die ausschließlich die
Präsidentinnen oder Präsidenten beantworten. Denn die Befassung des Senats mit
Dauerstellenkonzepten, die durch Personalvertretungen mitgestaltet werden, verschiebt die Diskurse
um Dauerstellen bzw. gute Beschäftigungsbedingungen in die Gremien der Hochschulen, wo
unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen und verhandelt werden müssen. Die neue Regelung ist
daher richtig und wichtig mit Blick auf die Personalautonomie von Hochschulen“, meint Susanne
Gnädig und ergänzt: „Durch die mit dem neuen Gesetz eingeführte Promovierendenvertretung in den
2 Gremien der akademischen Selbstverwaltung wird eine dort bisher eher unterrepräsentierte
Perspektive die Diskussionen um gute Beschäftigungsbedingungen zusätzlich bereichern.“
Allerdings sollte bei aller Euphorie um mehr Mitwirkung nicht vergessen werden, wie die
Machtverhältnisse in den hochschulischen Gremien tatsächlich sind. Denn in nahezu allen Fragen
entscheidet die Mehrheit der Professorinnen und Professoren. Dass dies hätte anders geregelt
werden können, zeigen Hochschulgesetze anderer Bundesländer. „Der wiederholte Verweis auf ein
über 50 Jahre altes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass diese Mehrheitsverhältnisse
festschreibt, kann kein Argument mit Blick auf die Struktur und Verfasstheit von Hochschulen und
Universitäten im Jahr 2024 sein. Hier mangelte es offenbar an Mut oder dem Willen zu Veränderung“,
sagt Tilman Kolbe, Vorsitzender des Kreisverbands Universität Potsdam der GEW.
Alles in allem fällt die Bilanz der GEW zum neuen Hochschulgesetz also eher gemischt aus. „Wir
sehen erste Fortschritte bei den Beteiligungsstrukturen an den Hochschulen, jedoch bleibt das Gesetz
mit Blick auf die Beschäftigungsbedingungen des befristeten Personals und hinsichtlich der
verbindlichen Einrichtung von mehr Dauerstellen hinter den Erwartungen zurück“, resümiert Fred
Albrecht, Leiter des Vorstandsbereichs Hochschule und Forschung
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Susanne Gnädig, Leiterin der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung der GEW Brandenburg
gnaedig@gew-brandenburg.de
